„Studierende die arbeiten sind ja nur Teilzeitstudierende“
„Studierende die Arbeiten sind nur Teilzeitstudierende“
Seit ein paar Semestern fällt mir verstärkt auf, dass viele Dozierende komplett den Boden unter den Füßen verloren zu haben scheinen. Sie schweben auf ihrer Wolke vor sich hin und belehren nach unten, zu uns, den Studierenden. Besonders stark ist mir das bei einem Dozierenden aufgefallen, welcher sich dafür rühmte einen engen Kontakt zu den Student:innen zu pflegen und darum in die Lehre gegangen wäre. Er war der Hauptdozierende einer Veranstaltung in der es einen Termin mit Anwesenheitspflicht gab. Von 10:00 bis 17:00 Uhr war die erste Ansage. So lange sollte es dauern. An einem Freitag. Das stand so nicht im Plan für diese Veranstaltung, die ja Pflicht für mein Studium war. Ich blickte mich im Hörsaal um und entdeckte einige Gesichter, die mit überraschten Gesichtern dasaßen und sich vermutlich genau das gleiche Fragten wie ich. „Wie soll ich das machen? Ich muss da arbeiten.“ Also entschloss ich mich dazu mich zu melden und genau diese Frage an den Dozenten zu stellen. Er war ja, wie bereits gesagt, nach eigenen Angaben sehr Studenten nah und dementsprechend sollte er dafür Verständnis aufbringen können. Seine Antwort:
„Ja da müssen Sie sich eben Zeit dafür nehmen. Aber naja, Studierende die Arbeiten sind ja nur Teilzeitstudierende“
Ich war so sprachlos von dieser Antwort, dass ich nichts mehr darauf entgegnete, aber bis heute verletzt mich diese Aussage. Ich konnte meine Arbeitszeit ändern, kein Problem meine Arbeitszeiten sind sehr flexibel, aber die von vielen anderen nicht. Die müssen dann schauen wann sie diese Arbeitszeit nachholen oder ob sie einfach kein Geld haben. Diese Leute sind keine Teilzeistudierenden. Diese Leute sind Vollzeitstudierende mit einem Job, die an der Uni sind weil sie dafür Arbeiten. Einfach zu sagen, dann verschieb deine Arbeit eben, oder naja ist halt ein Vollzeitstudium sind Aussagen, die die Lebensrealität von sehr vielen Studierenden gänzlich verleugnen.
Es mag früher so gewesen sein, dass nur Leute studieren die nebenbei nicht arbeiten müssen, aber heute ist es nicht mehr so und wir sollten dankbar dafür sein, dass nicht mehr nur eine elitäre Oberschicht an den Unis anzutreffen ist, sondern wir den Diskurs öffnen und allen Leuten die Möglichkeit geben können daran Teilzunehmen und ihre Ansichten zu teilen und zu lernen.
So etwas ist aber nicht möglich mit Ansichten wie der dieses Dozenten. Viele Leute müssen sich ihren Stundenplan so bauen, dass sie ihn mit Arbeit oder in manchen Fällen einem Kind vereinbaren können. Kurzfristige Änderungen in der Zeit oder dem Wochentag, spontane Ersatz- oder Zusatztermine sind nicht einfach so umzusetzen ohne an anderen Fronten abstriche zu machen und es macht mich wütend, dass viele Dozierende auf ihrer abgesicherten schwebenden Wolke so gänzlich den Blick dafür verloren haben wie es ist dafür arbeiten und kämpfen zu müssen dort zu sein wo man ist. Das hat nichts mit fehlender Bereitschaft oder nicht-wollen zu tun, sondern damit, dass mein Tag nur 24 h hat und ich gerne auch noch Leben würde zwischen Uni und Arbeit um mir die Uni leisten zu können. Mir ist bewusst, dass ich hierbei immer noch eine sehr privilegierte Position einnehme und würde darum gerne mit euch in den Austausch treten. Schreibt gerne in den Kommentaren, was ihr so erlebt habt, was euch wütend gemacht hat oder wo ihr euch gewünscht hättet, andere würden nicht so nur auf ihrer Wolke durch die Uni schweben. Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen.
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